Lesen Sie zum Streit um die vom Saarbrücker Stadtrat geforderte und vom Bezirksrat Halberg verweigerte Umbenennung der Oskar-Orth-Straße in Ensheim den folgenden Artikel der SZ-Redaktion (Saarbrücker Zeitung):
"Fehlentscheidung, die dem Ansehen der Stadt schadet"
SPD-Fraktion im Saarbrücker Stadtrat fordert den Ensheimer Bezirksrat auf, erneut über die Oskar-Orth-Straße zu beraten
Saarbrücken (red). Die Entscheidung des Bezirksrats Halberg, die Oskar-Orth-Straße in Ensheim nicht umzubenennen, wird nun auch den Saarbrücker Stadtrat beschäftigen. Die SPD-Stadtratsfraktion will nach Auskunft ihrer stellvertretenden Vorsitzenden, Monique Schwehm-Wiedemann, die Verabschiedung einer Resolution beantragen, in der die Mitglieder des Bezirksrates aufgefordert werden, erneut über eine Umbenennung der Straße zu beraten. In dem Antrag heißt es: "Der Rat der Landeshauptstadt achtet die Rechte der Bezirksräte, missbilligt jedoch die mehrheitlich gefasste Entscheidung des Bezirksrates Halberg, die Oskar-Orth-Straße nicht umzubenennen." Der Beschluss des Bezirksrates sei eine Fehlentscheidung, die nicht nachvollziehbar sei und darüber hinaus dem Ansehen des Stadtteils Ensheim und der gesamten Landeshauptstadt schade. Bezirksbürgermeisterin Anette Hübinger, CDU, soll unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Rechte des Bezirksrates aufgefordert werden, die Umbenennung der Oskar-Orth-Straße erneut auf die Tagesordnung des Bezirksrates zu setzen, "mit dem Ziel, die Straße umzubenennen". Eine Flut von Leserbriefen erreichte mittlerweile auch die "Saarbrücker Zeitung". Die Beiträge in den Leserbriefspalten setzen sich teils sehr konträr mit der Problematik um die Oskar-Orth-Straße auseinander. Nachfolgend der Text des Antrages der SPD-Stadtratsfraktion im Wortlaut:"Der Rat der Landeshauptstadt Saarbrücken bedauert die Entscheidung des Bezirksrates vom 7. März 2001, die Benennung der Oskar-Orth-Straße in Ensheim nicht zu verändern.
Nach 73 Abs. 3 Nr. 9 KSVG entscheiden die Bezirksräte abschließend über die Benennung von Straßen. Der Rat der Landeshauptstadt achtet die Rechte der Bezirksräte, missbilligt jedoch die mehrheitlich gefasste Entscheidung des Bezirksrates Halberg, die Oskar-Orth-Straße nicht umzubenennen. Mit dem Beschluss wird in Saarbrücken weiterhin an einen Menschen erinnert, unter dessen Verantwortung als Leiter der chirurgischen Abteilung des damaligen Landeskrankenhauses Homburg vielen Frauen, Männern und Kindern unermessliches Leid zugefügt wurde. Am 14. Juli 1933 wurde das so genannte Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses erlassen. Dieses Gesetz war Teil der nationalsozialistischen Rassen- und Bevölkerungspolitik und bildete einen Ausgangspunkt für die menschenverachtende Politik, die später in die systematische Tötung aus rassischen Gründen mündete. Das eigens geschaffene Erbgesundheitsgericht unter der Leitung des Amtsgerichtsrates Fürst konnte Sterilisationen auch gegen den Willen der Betroffenen anordnen. Schätzungen gehen davon aus, dass im Saarland bis zu 2500 Menschen zur ,Unfruchtbarkeitsmachung" verurteilt wurden. Mehr als 1000 Menschen wurden in Homburg zwangssterilisiert.
Die noch verbliebenen Operationsprotokolle der chirurgischen Abteilung des Landeskrankenhauses Homburg tragen bis auf wenige Ausnahmen die Unterschrift von Prof. Orth. Der Rat der Landeshauptstadt ist der Auffassung, dass die unbestrittenen Verdienste von Prof. Orth um den Aufbau der Universitätsklinik nicht gegen das Leid aufgerechnet werden können, das zahlreiche Betroffene unter dessen Verantwortung ertragen mussten. Äußerungen, wonach die Verbrechen Orths nur eine winzige Facette in dessen Leben seien, wertet der Stadtrat als unzulässige Relativierung und Verharmlosung der massiven Menschenrechtsverletzungen, die in der Zeit des Nationalsozialismus' auch im Saargebiet begangen wurden. Ein Verweis auf die damals geltende Rechtslage kann nicht zur Entlastung Orths herangezogen werden. Das Nazi-Regime war ein Unrechtsstaat, dessen grausame Pläne auch am Landeskrankenhaus in Homburg ausgeführt wurden. Die mehrheitlich gefasste Entscheidung des Bezirksrates Halberg, die Oskar-Orth-Straße in Ensheim nicht umzubenennen, ist eine Fehlentscheidung. Sie ist nicht nachvollziehbar und schadet darüber hinaus dem Ansehen des Stadtteils Ensheim und dem Ansehen der gesamten Stadt Saarbrücken. Der Stadtrat begrüßt ausdrücklich die Initiative der SPD-Fraktion im Bezirk Halberg zur Umbenennung der Oskar-Orth-Straße. Der Stadtrat fordert unter Berücksichtigung der gesetzlich festgelegten Rechte des Bezirksrates die Bezirksbürgermeisterin des Bezirks Halberg auf, die Umbenennung der Oskar-Orth-Straße erneut zum Gegenstand der Beratungen des Bezirksrates zu machen, mit dem Ziel, die Straße umzubenennen."
(Quelle: SZ-Newsline vom 17/18. März 2001)
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© Paul Glass 1997 - 2001 ff