Lesen Sie zum Streit um die vom Saarbrücker Stadtrat geforderte Umbenennung der Oskar-Orth-Straße in Ensheim den folgenden Artikel von Michèle Hartmann (Saarbrücker Zeitung):
Oskar-Orth-Straße in Ensheim bleibt
Mehrheit im Bezirksrat Halberg entschied sich in öffentlicher Sitzung gegen die Umbenennung
Ensheim/Homburg (mh). Die Oskar-Orth-Straße in Ensheim wird nicht umbenannt. Und auch nicht der nach ihm benannte Brunnen im Ensheimer Tal. Dies ist das Ergebnis der Sitzung des Bezirksrates Halberg. In Homburg wurde die Straße auf Beschluss des Stadtrates von 1997 schon vor einigen Jahren umbenannt. Sowohl die neun CDUler als auch der Vertreter der FDP, Thomas Escher, und der im Rat sitzende ehemals Grüne und jetzt Fraktionslose, Otto Escher, stimmten gegen eine Umbenennung in Ensheim. Einzig die SPD, die die Änderung des Straßennamens beantragt hatte, votierte dafür. Mit einer Ausnahme: Markus Dick, Sozialdemokrat aus Ensheim, enthielt sich zunächst. Allerdings änderte sich dies, nachdem die CDU ihren Antrag eingebracht hatte.Die Fraktion der Christdemokraten schlug vor, den Straßennamen beizubehalten, und zwar "bis zu einer endgültigen Klärung über persönliches Verschulden von Professor Dr. Oskar Orth". Und unter die Ehrentafel des Mediziners am ehemaligen Rathaus soll ein Schild folgenden Inhalts angebracht werden: "Große Verdienste um den Aufbau der Universitätsklinik Homburg - Wird mit Zwangssterilisationen in Homburg (1935-1939) in Verbindung gebracht". Diesem Vorschlag schlossen sich alle anwesenden CDUler, der FDP-Vertreter und der Fraktionslose an, alle neun Sozialdemokraten stimmten nun geschlossen dagegen. Dieser Entscheidung waren hitzige Wortgefechte vorangegangen. Im Mittelpunkt der Debatte: Die Rolle des Mediziners und Ensheimer Ehrenbürgers Oskar Orth (1876-1958). Nach Recherchen des Historikers und früheren Mitarbeiters der "SZ" Lokalredaktion Homburg, Christoph Braß, war der Mann, der als Arzt in Ensheim und als Leiter des Landeskrankenhauses in Homburg wirkte, in NS-Verbrechen verstrickt. Braß legte dar, dass zwischen 1935 und 1939 in der von Orth geleiteten Chirurgie mehr als 600 Frauen und eine etwa gleich große Anzahl von Männern zwangssterilisiert wurden. Manche Opfer starben bei der Operation, andere ertrugen durch den Eingriff ein Leben lang schweres Leid. Auch der saarländische Landtag beschäftigte sich mit dem Fall Orth. Die Parlamentarier kamen nach eigenen Recherchen zu der Überzeugung, dass der Arzt bei Zwangssterilisationen sogar selbst das Skalpell führte. Nachdem dies publik wurde, beschloss der Homburger Stadtrat 1997, die dortige Oskar-Orth-Straße umzubenennen.
Etwa 50 interessierte Bürger verfolgten die Diskussion im Ensheimer Bezirksrat, lautstarke Buhrufe und Beifallsbekundungen begleiteten die etwa einstündige Auseinandersetzung. Alfons Schweitzer, Sprecher der CDU-Fraktion, begründete die Entscheidung seiner Partei wie folgt: Die im Raum stehenden Vorwürfe reichten nicht aus, um Oskar Orth ein Verschulden anzulasten bei Zwangssterilisationen in Zusammenhang mit dem "Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses".
Der mittlerweile parteilose Otto Escher argumentierte in Hinblick auf die Geschehnisse im Dritten Reich unter anderem: "Es war nicht die Entscheidung des Arztes, Leute zu sterilisieren, es war die Entscheidung der Angestellten in den Ämtern und Gerichten, die ihm die Menschen zuführten. Der Arzt war der letzte in einer langen Kette, er musste ausführen, was andere entschieden hatten. Nun lag es an ihm, wie er mit den Opfern umging. Oskar Orth hat, wie wir alle wissen, eine schonendere Operationsmethode entwickelt, die in Homburg eingesetzt wurde, bei der nur wenige den Eingriff nicht überlebten. " Kurt Göttel, SPD, überzeugt von der Schuld des Mediziners, argumentierte: "Oskar Orth mag ein guter Chirurg gewesen sein. Aber er hat seine ärztlichen Fähigkeiten auch dazu benutzt, menschliches Leid über Frauen und Männer, ja über ganze Familien zu bringen. Es ist kein Fall bekannt, wo er die Möglichkeit eines passiven oder gar aktiven Widerstandes verhalten angewandt hätte."
(Quelle: SZ-Newsline vom 12. März 2001)
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© Paul Glass 1997 - 2001 ff